Vorstellung 1992

Ungekünstelt und volksnah:

Gotthelf-Theaterstück mit Laiendarstellern in Biberist

Nach dem letztjährigen Erfolg hat sich die Theatergruppe Heinz Sollberger dieses Jahr erneut zur Inszenierung eines Volksstückes entschlossen. Mit «Stilli Wasser...» von Ernst Balzli nach einer eher unbekannten Gotthelf-Erzählung wussten die engagierten Laien-Darsteller das zahlreich erschienene Publikum im Flösserhof in Biberist zu begeistern.

Luise, nicht sehr hüb4sch und nicht sehr vermögend, dafür mit (leider) nicht so sichtbaren inneren Werten und einigen hausfraulichen Fähigkeiten ausgestattet, ist leidend, richtig krank ist sie, und das aus reinem Liebeskummer. Denn das nicht mehr ganz junge Fräulein hat sich in einen Notar verguckt, der dafür bekannt ist, dass er zielstrebig eine Frau mit Geld sucht, die ihn so auf der Erfolgsleiter nach oben katapultiert.
Nun ist Luise vielleicht nicht gerade mit Reizen gesegnet, dafür ist sie aber auch nicht dumm und greift zum letzten Strohhalm: Klammheimlich bestellt sie sich den verehrten Advokaten ins Haus, um ein - natürlich falsches - Testament aufzusetzen. Und während sie so aus dem nicht vorhandenen Vollen schöpft und grosszügig verteilt, tapst der Notar auch schon in die Falle. Aber da ja bekannterweise Lügen kurze Beine haben und schnell einmal ans Tageslicht kommen, muss das grosse Liebesglück noch kurz einmal erzittern, damit die Moral von der Geschichte und die Vernunft ihren Sieg davontragen.

Ungekünstelte Volksnähe
In letzter Zeit ist den Mundart- und damit verbunden, den Laientheatern landauf, landab ein Achtungserfolg beschieden. Es sind die klar und verständlich strukturierten Bauernkomödien und darunter vor allem die Gotthelfschen Genrezeichnungen (hier diente die Erzählung «Der Notar in der Falle» als Vorlage), die in einer sich stetig komplizierter gestaltenden Zeit das Publikum immer mehr anzusprechen vermögen. Einfache, nachvollziehbar gezeichnete Charakteren, eine ungekünstelte Volksnähe, der eine gewisse folkloristische Detailtreue nicht abzusprechen ist, und ein erfrischender, bodenständiger Humor führen die Besucher in eine vertraute, ursprüngliche Welt, in der man sich sorgenfrei und unbeschwert unterhalten kann und darf.

Typengerechte Charakterzeichnung
Der spontane Szenen- und ganz herzliche Schlussapplaus galt denn auch den Laiendarstellerinnen und -darstellern, namentlich Hedi Rüfenacht, Rita Frangi, Greti Geiser, Marie-Luise Kubli, Hans Locher, Doris Juchli, Christoph Hirsbrunner, Jolanda Beck, Marc W. Auer, Werner Werren und Heinz Rüfenacht für ihr Engagement und den Mut einer typengerechten Interpretation des Gotthelfschen Personals (Regie: Heinz Sollberger). Von der sorgfältigen, der Biedermeierzeit nachempfundenen Ausstattung sowie der Pflege urwüchsiger Mundart als ein Stück Zeitgeschichte kann man sich ein weiteres Mal überzeugen lassen, wenn morgen Mittwoch eine Reprise, wiederum von einer reichhaltigen Tombola begleitet, um 20 Uhr über die Bühne des Flösserhofes in Biberist geht.

Verfasst von Eva Buhrfeind | |   Theater